The Great Wilderness und ihre Geologischen Wunder
Es gibt Landschaften in der Great Wilderness, die der Vorstellungskraft trotzen - Orte, an denen sich beim Erklimmen eines Hügels oder beim Umrunden einer Kurve
Gastbeitrag von Andrew Findlay
Nur eine halbe Autostunde westlich von Williams Lake entfernt, verläuft der Highway 20 vorbei an den bewaldeten Hängen der Desous Mountains, überquert dann die tosende Strömung des Fraser River, um schließlich der anderen Seite des Tals hoch zu folgen. Hier in der Weite des sich zu den Coast Mountains hin öffnenden Chilcotin Plateaus stellt sich das Gefühl wahrer Abenteuerlust ein: Man lässt eine Welt hinter sich, um in eine andere einzutauchen. Unter all den Asphaltstraßen, die ich bisher in British Columbia bereisen durfte, ist der Highway 20 jener, der den Pioniergeist am stärksten aufflammen lässt. Hier fühlt sich das Land so weit und offen an, so voller unbegrenzter Möglichkeiten; es ruft geradezu “Roadtrip”.
Was solltest Du hier also unbedingt sehen und wo solltest Du am besten anhalten? So würde mein Roadtrip aussehen, wenn ich meinem Impuls folgen und mich auf den Highway 20 begeben würde.
Etwa 30 km weiter westlich des Fraser River, inmitten der hügeligen Graslandschaft von Riske Creek würde ich an der historischen Chilcotin Lodge Halt machen. Sie ist der ideale Ausgangspunkt für einen kleinen Abstecher zu den Hoodoos – zerklüftete Lavagesteinsformationen – und den Dickhornschafen im Farwell Canyon, die zu den häufigen Besuchern der steilen Felswände und Hänge an dieser Biegung des Fraser River zählen. Dann würde ich in Richtung Süden weiterziehen, zur Big Creek Lodge, einer klassischen Working Ranch im Chilcotin, bevor ich mich dann wieder bei Hanceville auf den Highway 20 begebe.
Weiter westwärts auf dem Highway 20 wartet der Bull Canyon Provincial Park an den Ufern des türkisfarbenen Chilcotin River: Ein Stopp zum Picknick, oder um Dir bei einem Spaziergang entlang des Flusses die Beine zu vertreten, ist ein Muss. Hinter Alexis Creek liegt der unter Anglern für Kokanee-Lachs und Regenbogenforellen berühmte Puntzi Lake.
Am Tatla Lake merkst Du bereits, wie sich die Landschaft verändert. Sanfte, mit Seen gespickte Hügel- und Graslandschaften machen Platz für schroffe und abgeschiedene Berge, die sich am nahen Horizont abzeichnen. In dieser dünn besiedelten Gegend spürst Du instinktiv und unmittelbar, wie sich Dir die ursprüngliche, raue Wildnis offenbart. Nichtsdestotrotz verstecken sich in den hiesigen Tälern auch charaktervolle Lodges und Resorts direkt am See oder angeschmiegt an den Bergen, wie Inseln für einen komfortablen Rückzug.
Am Tatla Lake biegst Du in Richtung Süden auf die Tatlayoko Road ab und dann weiter auf die Bluff Lake Road, der Du bis zum südlichen Ende des Bluff Lake folgst. Dort findest Du das White Saddle Country Inn. Mit seinen Selbstversorgerhütten, einer per Hand gebauten Holzlodge und einer Finnischen Sauna direkt am Mosley Creek, bietet es Luxus im Chilcotin-Stil, was sich u.a. auch auf die abgeschiedene Lage bezieht. Dieser familiengeführte Betrieb lädt zu Wanderungen im Talgrund ein, zum Fotografieren, zu Mountainbiketouren, Abenteuern im Hochgebirge und Helikopterausflügen mit White Saddle Air Services.
Oder aber, Du bleibst auf der Tatlayoko Road und fährst zu Bracewell’s Alpine Wilderness Adventures. Im Jahr 1918 gegründet, begrüßt die herzliche Gastfreundschaft der Familie Bracewell bereits in der dritten Generation ihre Gäste und begleitet diese – per Pferd – auf Angelausflüge in die entlegenen Bergtäler und Seen.
Familientradition ist Teil der Lebensart auf dem Land. Du brauchst nur die Leute im Homathko River Inn danach fragen, das auch an der Tatlayoko Road an der Circle X Ranch liegt, einer der ersten Rinderfarmen im Tatlayoko Valley. Oder Du unterhältst Dich einmal mit den Besitzern der Terra Nostra Guest Ranch, die Dich am Highway 20 erwartet, hinter des am Straßenrand gelegenen winzigen Weilers Kleena Kleene. Dort kannst Du in einem Kanu oder Kajak auf dem See Clearwater paddeln, auf einem für Dich geeigneten Pferd einen der Trails entlang reiten oder zu Fuß einem der beschilderten Wege folgen, die wie Radspeichen von der Lodge aus in die unberührte Natur der Chilcotin-Region führen.
Noch weiter hinaus lockt das Land dorthin, wo die Gipfel im Tweedsmuir Provincial Park – der größte Provincial Park in BC – in den großen blauen Himmel emporragen. Dort würde ich mich im Retreat Wilderness Inn am Nimpo Lake einmieten, wo urbane Lebensart auf das urige Flair des Chilcotin trifft. Vielleicht ist ein Yoga Retreat fürs Wochenende genau das, was Du brauchst. Oder aber Du verbringst den Abend paddelnd auf einem Standup-Paddleboard auf dem Nimpo Lake und lauschst dem Ruf der Seetaucher (in Kanada Loon genannt), bevor Du bei Einbruch der Nacht in die Lodge zurückkehrst und einen Cocktail am Kamin genießt.
Am Nimpo Lake, wo auch Tweedsmuir Air Services zu Hause sind, lohnt es zu verweilen. Von hier aus kannst Du eines der Wasserflugzeuge, Marke “de Havilland Beaver” – das Taxi im Hinterland von BC – für einen 20-minütigen Flug zu den Turner Lakes chartern. Reserviere Dir im Voraus ein Kanu für einen Tagesausflug oder für eine mehrtägige Kanuwanderung auf der sieben Seen umfassenden Seenplatte. Eine leichte 20-minütige Wanderung bringt Dich vom Turner Lake an den Rand der Hunlen Falls, mit 400 Metern einer von Kanadas höchsten Wasserfällen, der ununterbrochen in das darunterliegende Tal, dann weiter in die Seen Lonesome und Stillwater fließt, die wiederum den Oberlauf des Atnarko River auf seinem Weg ins Bella Coola Valley bilden.
Das wäre mein nächster Halt nach der Abfahrt auf dem legendären “Bella Coola Hill”. (Als sich die Regierung von BC in den 1950er Jahren gegen den Bau einer Straße entschloss, die Anahim Lake an Bella Coola anbindet, holten die Einheimischen ihre Bulldozer aus der Garage, um sich selbst eine zu bauen). Vom Heckman Pass verläuft die bis heute noch unbefestigte Schotterpiste etwa 40 Kilometer über eine Reihe von steilen Haarnadelkurven und Serpentinen von den Kiefer- und Fichtenwäldern des Hochlands hinab zu den hoch aufragenden Zedern und Hemlocktannen im Bella Coola Valley. Wenn ich dann die Gezeitenzone bei Bella Coola erreichte – wohin BC Ferries mit der Northern Adventure in diesem Sommer eine Direktverbindung nach Port Hardy auf Vancouver Island eingeführt hat – wäre ich wunschlos glücklich.
So also würde mein Chilcotin Roadtrip-Abenteuer aussehen. Du kannst die Strecke natürlich auch im Schnelldurchgang zurücklegen, aber Dir auf dem Highway 20 Deine Zeit zu nehmen, zahlt sich aus: Hier sammelst Du nämlich Erinnerungen fürs Leben.
Titelbild: Ausblick auf die Coast Mountains vom Plateau oberhalb des Wilderness Lake. Foto: Kari Medig